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spacerKreis des Guten Willens

Buchvorstellung

“Weisheitsgeschichten”

von Dr. Ekkirala Krishnamacharya

 

Lessons on the Yoga of Patanjali

Schon immer galten Geschichten als bezauberndste Art der Weisheitsübermittlung. Die Seher aller Zeiten vermittelten komplizierte Weisheitsprinzipien durch erhellende und einfache Geschichten. Meister E.K. (Ekkirala Krishnamacharya) war für seine Erzählkunst bekannt. Zum Teil spielte er sogar seine Geschichten, während er sie erzählte, und die Zuhörer waren von der Geschichte und ihrer Darstellung gefesselt. Seine "Weisheitsgeschichten" helfen dem Leser, Weisheitsschlüssel zu finden, die das Verstehen bereichern.

Inhalt: Es ist deine Frau!; Die göttliche Gegenwart; Sanyasi; Zu Hause gefunden; Bedingter Reflex; Teufelsarzt; Absolut unpersönlich!; So ist es für alle Zeit; Dem Ufer entgegen; Es ist alles mein Spiel; Himmlisches Gold; Pferderennen; Ein dramatischer Abgang; Die Berührung des Weisen; Das größte Opfer; Eine gute Rückkehr; Existenzkampf; Die Geschichte von 'Ebbe und Flut'.

Edition Kulapati, Wermelskirchen. Erste Auflage 2004. ISBN 978-3-930637-28-7
 

Leseprobe:

Kapitel 1: Es ist deine Frau!

"Möge die Gnade des Herrn mit dir sein." Mit diesen Worten wurde Shyam von seinem Guru gesegnet, als er sich vor dem Sanyasi, der in Lotus-Haltung sass, niederwarf. Shyams gefaltete Hände berührten die Zehen des Sanyasi, während er ihm seine Ehrerbietung erwies. Der Sanyasi sass vor seiner Hütte unter einem Ficus religiosa.

Swami, ich komme zu dir, um deinen Segen zu erhalten, damit es mir möglich ist, Wissen über mein früheres Leben zu erhalten."

Sanyasi: "Als ob das Durcheinander des gegenwärtigen Lebens nicht reichen würde, um dein empfindliches Denkvermögen niederzudrücken. Warte. Die Natur weiss es besser."

Hingebungsvoll setzte sich Shyam hin und bat: "Mit Hilfe deiner Gnade möchte ich dieses Wissen erhalten. Ich weiss, dass du die Fähigkeit hast, meine mentale Dimension zu öffnen, so dass sie bis in mein vorheriges Leben reicht."

Der Sanyasi lächelte, und seine wohlgeformten Zähne funkelten durch seinen Schnurrbart. Behutsam berührte er mit seinem Daumen Shyams Stirn und sagte ihm Lebewohl.

Shyam gehörte einer orthodoxen indischen Familie an. Er übte Yoga und Meditation und nährte die Hoffnung, spirituelle Kräfte zu bekommen. Sorgfältig studierte er die grossartigen Bücher über das Leben verschiedener Mahatmäs und berührte die Füsse vieler Sadhus. Jetzt fühlte er sich überglücklich, weil er den Segen empfangen hatte, Wissen über sein vergangenes Leben zu erhalten. So hoffte er, zu gegebener Zeit die entsprechende Enthüllung zu bekommen.

Der Abend war mit dem milden, bewölkten Himmel eines indischen Juni-Monats sehr angenehm. Als er in die Stadt zurückging, neigten die hohen Bäume am Stadtrand gemächlich ihre Wipfel zu den pfeifenden Klängen der kühlen Brise, die durch die Blätter strich.

Shyam war frisch verheiratet, doch er fühlte sich nicht sehr zu seinem Haus und zu seiner jungen Frau hingezogen. In Wirklichkeit war er nicht sonderlich von der Treue und Ehrlichkeit seiner Frau überzeugt. Plötzlich wurden seine Augen von einer Bewegung angezogen, und er sah, dass seine Frau wenige Schritte vor ihm die Strasse überquerte. Ein kräftiger junger Mann folgte ihr, und beide gingen Hand in Hand. "Sehe ich nicht richtig?", fragte sich Shyam und zuckte vor Aufregung. Er ging etwas schneller. Die ganze Stimmung war wie ein Traum, und sich selbst empfand er wie berauscht. Trotz der sanften Brise hatte er das Gefühl, dass die Luft zum Ersticken war. Der junge Mann war mit seiner Frau in ein lebhaftes Gespräch vertieft. Er lächelte, und auch seine Frau lächelte! Shyam konnte seine eigenen Gefühle nicht begreifen. Schweigend folgte er ihnen, als sie sich einem Filmtheater näherten. Offensichtlich waren die beiden in das Programm vertieft und freuten sich auf den Film. Sie kauften Eintrittskarten, assen im Restaurant und gingen dann ins Kino. Shyam folgte ihnen und war ganz in die Beobachtung ihrer Bewegungen versunken. Als die Lichter ausgingen und die Vorführung begann, schlich Shyam herein und setzte sich mit kläglichem Blick an die Seite seiner Frau. Sie wandte sich dicht zu dem jungen Mann hin, der auf der anderen Seite sass und war in das Gespräch mit ihm vertieft. Nach einiger Zeit schnaubte Shyam vor Wut. Schliesslich fiel es ihm ausserordentlich schwer, sich zu beherrschen. Sein Gesicht wurde rot, und er sprach seine Frau sanft an, dass sie sich zu ihm drehen sollte. Zuerst wollte sie überhaupt keine Notiz von ihm nehmen, doch da er sie immer wieder ansprach, drehte sie sich für den Bruchteil einer Sekunde mit einem feurigen Blick zu ihm um. Auf der Leinwand sah man, wie ein heftiger Sturm auf dem Meer tobte und ein Schiff im Sturm auf den hohen Wellen tanzte. Es war ein Abbild von Shyams Denken, das vor Wut schäumte. Er zog die Frau an seine Seite und brüllte sie an: "Was soll das Ganze?"

"Du Flegel, bei dir stimmt wohl etwas nicht?", schrie sie erschreckt und schlug Shyam kräftig auf die Wange.

"Immer mit der Ruhe. Warte einen Moment. Ich kümmere mich darum", sagte der junge Mann, während er die Frau beruhigte. Unvermittelt stand er auf und ging zu Shyam. Ein paar Sekunden lang betrachtete er Shyam aufmerksam und sagte dann: "Oh je, der Arme! Er ist verrückt. Entspanne dich erst einmal mit einer Zigarette." Er nahm eine Zigarette, steckte sie vorsichtig zwischen die Lippen der Frau und zündete sie an.

Shyams Kopf drehte sich. Ihm war, als würde er aus einem Traum erwachen. Ruhig kam er aus dem Kino und ging die ganze Strecke zur Einsiedelei des Sanyasi hinunter. Nachdenklich erzählte er dem Sanyasi die ganze Begebenheit und bat ihn zu erklären, weshalb sich seine Frau ihm gegenüber so treulos verhielt, obwohl er gut und freundlich zu ihr war.

Der Sanyasi lächelte und sagte: "Beruhige dich, mein Junge. Es ist deine Frau in deinem vorherigen Leben. Ihr derzeitiger Ehemann ist der kräftige junge Mann, der so freundlich zu dir war. Jetzt, wo der Zauber deiner Projektion in dein vorheriges Leben vorbei ist, kannst du in aller Ruhe nach Hause gehen und dort deine jetzige Frau antreffen. So etwas nennen wir Samsara, mein Junge."
 

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